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„Leistungssport ist eine extrem gute Vorbereitung auf das Leben!“ Interview mit DSV-Sportdirektor Alpin Wolfgang Maier aufgezeichnet von Erhard Nessler

Wolfgang Maier & Erhard Nessler

Woher nimmt W.M. die Kraft, nach all den großartigen Erfolgen deutscher Skisportler in den letzten Jahren, hoch motiviert in die vorolympische Saison zu gehen?

Erfolge sind bekanntlich nicht von langer Dauer. Wer einmal Erfolg hatte und das Gefühl kennt, möchte es im Leben nicht mehr missen. Dies allein ist Antrieb genug, sich vorwärts zu bewegen und nicht still zu stehen. Gerade der Leistungsport ist ein Bereich, der keinen Stillstand duldet! Geschieht dies, ist man in kürzester Zeit nicht mehr präsent und im Geschäft. Dies sind Gründe warum man immer wieder Motivation hat, weiterzukommen.

Wie viele Trainingstage liegen bereits hinter den Athleten?

Auf das gesamte Jahr gesehen sind unsere Athleten etwa 200 Tage mit zentralen Trainingslehrgängen und Wettkämpfen unterwegs. Dazu kommen sicher noch 50 bis 60 Tage, wo sie im Heimtraining in den Stützpunkten trainieren müssen. Im August haben wir bereits etwa 100 bis 120 Tage hinter uns.

Die Nymphenburger Schulen zählen zu den Förderern des alpinen Skisports. Manch einer träumt auch von einer Skikarriere. Welche Ratschläge können Sie den jungen Sportlern mit auf den Weg geben?

Da gibt es sehr viele Ratschläge. Der Leistungssport ist eine extrem gute Vorbereitung für das Leben. Wer frühzeitig lernt, Schule und Sport zu koordinieren, wird auch nach Ende einer Karriere einen Vorteil gegenüber anderen haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass jene, die versucht haben, im Sport erfolgreich zu sein, auch wenn sie nicht an die Spitze gelangt sind, aber viel Selbstdisziplin lernen mussten, sind für den Rest ihrer Tage immer im Vorteil. Zahlreiche Rückmeldungen aus der Wirtschaft und anderen Ländern, beweisen dies.

Wolfgang Maier & Erhard Nessler

Hat ein Skitalent aus einer Münchner Schule überhaupt eine realistische Chance einmal in einen Nationalkader zu gelangen?

Mit Sicherheit ist die Chance gegeben. Doch wer in München wohnt, tut sich schwerer, als wenn man in Garmisch oder Berchtesgaden lebt. Doch, wenn ich unseren jüngsten D/C-Kader betrachte, finden wir auch den Starnberger Wolf und den Münchner Strasser. Beide fahren hervorragend Ski und haben sehr wohl gezeigt, dass es auch von München aus möglich ist, in einen Nationalkader zu gelangen. Beide wechseln zwar jetzt in gebirgsnahe Schulen, um noch bessere Trainingsvoraussetzungen zu haben.

Sind neben dem Skigymnasium St. Christopherus in Berchtesgaden noch weitere Skizentren dieser Art geplant und läuft bisher alles nach ihren Vorstellungen?

Dies ist eine recht schwierige Frage. Der DSV hätte gerne, dass wir in Obersdorf, Garmisch und Berchtesgaden mit einer sog. Eliteschule des Sports präsent sind. Auch München war als Standort im Gespräch, doch die Entfernung zu den Trainingsgebieten war letztlich zu weit. Leider ist das Kultusministerium, auf das wir angewiesen sind, nicht der optimale Förderer für den Spitzensport. So bleibt zunächst als einzige Schule Berchtesgaden. Dort klappt es dann hervorragend, wenn sich der Trainer verantwortungsbewusst hinter diese Aufgabe stellt. Lässt man den Schülern komplett freien Lauf, bin ich davon überzeugt, dass es viele Schulen gibt, die eher besser sind. Aber, wenn man es betreibt, so wie man es betreiben soll und es zu einer engen Kooperation zwischen Trainern, Schule und Schülern kommt, dann ist Berchtesgaden eine sehr gute Schule.

Immer mehr Schüler wollen Snowboarden. Schadet dies auf Dauer dem Skisport, oder kann es ein friedliches Nebeneinander geben?

Man kann immer ein friedliches Miteinander und Nebeneinander haben. Es kommt in erster Linie auf die Einstellung der Menschen an und wie tolerant man sich gegenüber anderen Menschen verhält. Tatsache ist, dass die Snowboardszene eher wieder rückläufig ist. Sie hatte einen Boom, von dem viele glaubten, dass nun alle junge Menschen Snowboarden wollen. Doch schaut man genauer hin, ist es vielmehr das Freeriden, das Fahren mit den Skiern in der Halfpipe, das freie sich Bewegen, jedoch nicht gefesselt sein auf ein Brett, wesentlich wieder stärker im Kommen, wie man dies im Trend noch vor 1 bis 2 Jahren absehen konnte.

Sehen Sie in der Wankelmüdigkeit des Winters eine ernsthafte Gefahr für den Skisport?

Ganz sicher! Die Gefahr besteht nicht ganz oben in der Spitze, bei den Weltcuprennen, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, sondern beim Nachwuchs und den jungen Leuten, ob sie Gelegenheit haben, Ski zu fahren und gleichzeitig die Schönheit der Natur kennen zu lernen.

Wie sieht der berufliche Alltag eine Wolfgang Maier aus?

Dieser sieht ganz anders aus, wie es sich die meisten Menschen vorstellen. Im Winter ist er relativ cool. Ich besuche alle meine Lehrgangsgruppen, indem ich zu den Weltcup- und FIS-Rennen oder teilweise zu den Schülerrennen fahre. Dazu gehören Abstimmungsgespräche mit zahlreichen Trainern, schaue mir unseren Nachwuchs an, so dass ich mir einen Überblick verschaffe. Dadurch bin ich viel in Bewegung, was sehr abwechslungsreich ist und freue mich am Schnee und der Natur. Im Sommer hingegen sieht es ganz anders aus. Dort fällt eine Menge Büroarbeit an und befasst sich mit Dingen, von den sich die wenigsten vorstellen können, dass es etwas mit dem Sport zu tun hat. Man arbeitet an einem Projekt wie die Eliteschule des Sports, der medizinischen Versorgung der Spitzensportler, oder auch am Thema Personalführung und Personalmanagement.

Sind die sog. Wettkampftypen auch im Skisport rar geworden?

Mit Sicherheit gibt es nur wenige Wettkampftypen. Auch wenn es wissenschaftlich nicht belegt ist, behaupte ich, der Wettkämpfer, der Sieger wird geboren! Wir fördern ihn, entwickeln ihn, aber seine Gene machen ihn erst zum Sieger. Wir helfen jedem der Talent hat, beeinflussen ihn aber nicht. Entweder er ist es, oder ist es nicht! Spricht man mit unseren alpinen Siegertypen der letzten 20 Jahre, weiß man schon nach dem 3.Satz, der hat’s oder das war einer. Andere hingegen, die diese Überzeugungskraft, Selbstvertrauen, nicht mitbringen, die werden es auch nicht. Sie können unzählige Trainingseinheiten mehr absolvieren, doch am Ende zählt der „Kopf“, der durch die Gene bestimmt wird.

Wolfgang Maier & Erhard Nessler

Immer wieder werden hoffnungsvolle Talente durch Verletzungen zurückgeworfen. Manch einer bekommt einen Knacks, den er nicht überwinden kann. Welche Unterstützung gewährt der DSV diesen Athleten, diese Rückschläge zu überwinden?

Dieses Thema muss auch differenziert betrachtet werden. Eines vorweg: Wir lassen keinen talentierten Athleten fallen, nur weil er sich verletzt hat. Auch ich habe mehrfach erlebt, dass sich Athleten nach schweren Verletzungen danach nicht mehr wie vorher überwinden konnten und dieses Trauma ewig mitgezogen haben. Sie haben ein bestimmtes Niveau erreicht, konnten aber dann nicht mehr weiter gehen. Dies war dann auch der Grund, warum mancher, nicht die Lorbeeren in seiner Karriere ernten konnte, die seinem Talent entsprach. Skifahren zählt nicht erst seit heute zu den Risikosportarten. Der DSV versucht deshalb mit Lösungen an dieses Thema heranzugehen. Der wichtigste Punkt ist die körperliche Vorbereitung. Immer wieder stellen wir fest, dass hunderte von Trainingseinheiten nichts bringen, wenn der Athlet körperlich nicht fit ist. Man sieht auch immer mehr, dass Verletzungen, aufgrund von extrem hohen Kräften und Geschwindigkeiten nur dann wirklich bei Leuten auftreten, die nicht austrainiert sind. Auf Grund der sportartspezifischen Ansprüche kann die körperliche Vorbereitung sehr viel Spaß machen. Der Skifahrer ist ein Alleskönner: Er kann Skaten, Snowboarden, Inlineskaten, Bodenturnen, Hockeyspielen, Wasserspringen, Fußball, Basketball, Volleyball spielen, sprich aus jeder Sportart etwas Ziehen. Im Gegensatz zu einem Ausdauersportler, der hunderte von Kilometern laufen muss, ist der Skifahrer nicht nur auf wenige Dinge festgelegt. Umso wichtiger ist es, bereits bei den Jüngsten die Basis dafür zu schaffen!

Im Vergleich zu anderen Sportprofis ist es nur wenigen Skisportlern im Anschluss an ihre Karriere vergönnt, sich eine Existenz aufzubauen. Bleibt den meisten nur ein Dasein als Skilehrer oder Trainer?

Dem muss ich vehement widersprechen! Von 1992 bis 2006 war ich Cheftrainer des Frauenteams. Davon hatten 80 % Abitur! Die meisten davon waren während ihrer Zeit als Spitzensportler gleichzeitig bei den Behörden, wie der Bundespolizei, Bundeswehr, Sanitätsdienst oder beim Zoll beschäftigt. Viele nahmen im Anschluss an den Spitzensport ein Studium auf, oder erhielten eine stattliche Abfindung. Die bei der Bundeswehr waren, bekamen eine Berufsausbildung bezahlt. Das Klischee, der übrig bleibt, endet meist als Skilehrer, kann vorkommen, passiert in der Praxis heute nur noch selten. Wenn es passiert, geschieht dies eher noch bei den Männern, da manche keinen richtigen Schulabschluss gemacht haben. Sie waren in der Regel zu stinkig, sich hinzusetzen und Schule und Spitzensport in jungen Jahren richtig zu koordinieren. Aber prinzipiell schafft man sich mit entsprechender Leistung und Absicherung eine Basis, dass man später einen seriösen Beruf ergreifen kann.

Wie würden Sie die Faszination Skisport beschreiben, die letztlich auch ihr Tun und Handeln bestimmt?

Auch diese Antwort würde ein Buch füllen. Fakt ist: Jeder, der einmal Wettkampflust geschnuppert hat, der hautnah miterlebt hat, wie sich Menschen auf höchstem Niveau messen, ans Limit gehen, weiß wovon ich spreche. Mein Ziel zu Beginn meiner Karriere war es nicht, mit den Athleten Weltcupsiege zu feiern. Ich wollte einfach wissen, ob es mir gelingt, einen Körper so zu trainieren, dass er absolute Spitzenleistungen abrufen kann. Bis zum Schluss meiner Trainerlaufbahn machte ich mir Gedanken darüber, wie ich mit neuen Methoden und Ideen den Körper so fit zu machen kann, dass dieser auch in anderen Sportarten überleben könnte.

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